Sonne: Ihr Lebensweg vom Protostern zum Weißen Zwerg

Sonne: Ihr Lebensweg vom Protostern zum Weißen Zwerg
Sonne: Ihr Lebensweg vom Protostern zum Weißen Zwerg
 
Für Astrophysiker ist die Sonne ein Stern wie Tausende andere, die wir in der Scheibe des Milchstraßensystems erblicken. Ihre chemische Zusammensetzung entspricht der dort üblichen »metallreichen« Grundzusammensetzung von Population I-Sternen.
 
 Brennstoff für fünf Milliarden Jahre
 
Die ursprüngliche chemische Zusammensetzung der Protosonne — und damit auch jene der Mutterwolke — lässt sich aus den bis heute unverändert gebliebenen Häufigkeiten der Elemente in der Sonnenphotosphäre ablesen. Der erkennbar hohe Masseanteil von rund 2 % an Elementen schwerer als Helium kann nur durch nukleare Reaktionen erbrütet worden sein. Dies zeigt, dass die Sonne kein Stern der ersten Generation ist, sondern einer relativ jungen Sterngeneration angehören muss, die vor knapp fünf Milliarden Jahren aus einer mit schweren Elementen angereicherten Materie entstanden ist.
 
Als Geburtsstätte müssen wir uns eine dunkle, kalte Wolke der interstellaren Materie vorstellen, die aufgrund irgendeiner Störung kollabierte. Die Größe dieser solaren Urwolke ist nicht bekannt. Sie muss mindestens einige Sonnenmassen betragen haben, kann im Fall einer Fragmentation aber auch erheblich größer gewesen sein. Die kontrahierende Protowolke, die man häufig auch als präsolaren Nebel bezeichnet, entwickelte sich gemäß den bisher beschriebenen Sternentstehungsphasen von einer Protowolke zu einem Hauptreihenstern mit stabilem Wasserstoffbrennen.
 
Durch das Wasserstoffbrennen hat die Sonne vor etwa 4,5 Milliarden Jahren — dem geophysikalisch bestimmten Alter des Planetensystems — eine sehr langfristige Energiequelle erschlossen, die es ihr ermöglicht, die Abstrahlungsverluste über viele Milliarden von Jahren hinweg auszugleichen. Trotz ihres riesigen Brennstoffvorrats an Wasserstoff und der relativ kleinen Energieerzeugungsrate, die im Zentrum nur etwa 2 Watt pro Tonne Sonnenmaterie beträgt, sind während ihres bisherigen Lebens bereits erhebliche Veränderungen eingetreten. Insbesondere zeigt sich, dass im Zentrum der Sonne bereits die Hälfte des Wasserstoffs zu Helium verbrannt ist. Dies entspricht einem Wasserstoffverbrauch von fünf Millionen Tonnen in der Sekunde. Als Folge davon hat sich die Zentraldichte um etwa 75 % auf 158 Tonnen/m3 erhöht, und die Zentraltemperatur stieg um etwa 15 % auf 15,7 Millionen Kelvin.
 
Diese inneren Entwicklungen führten zu merklichen Veränderungen an der Sonnenoberfläche. So stieg die Leuchtkraft gegenüber der Ursonne um gut 40 % auf 3,9·1026 Watt. Der Sonnenradius nahm geringfügig um etwa 5 % auf 694 000 Kilometer zu.
 
Die Sonne hat also heute bereits deutlich ihren Entstehungsort im Hertzsprung-Russell-Diagramm — die Alter-Null-Reihe — verlassen. Wegen ihres nach wie vor beträchtlichen Wasserstoffvorrats und der vergleichsweise geringen Zentraltemperatur wird ihre Entwicklung noch für lange Zeit gleichförmig und unspektakulär verlaufen. Modellrechnungen zufolge dürfte die Sonne noch etwa 5 Milliarden Jahre im Zustand des stabilen Wasserstoffbrennens verbringen, bevor ihr gesamter zentraler Wasserstoffvorrat zu Helium fusioniert sein wird. Dies hat dann drastische Veränderungen im inneren Aufbau und im äußeren Erscheinungsbild der Sonne zur Folge.
 
Nach dem Versiegen der zentralen Energiequelle Wasserstoff erstreckt sich über dem nun entstandenen zentralen Heliumkern nur noch eine schalenförmige Wasserstoffbrennzone. Der Innenbereich der Sonne ist deshalb nicht mehr in der Lage, weiterhin sein Eigengewicht und das der darauf lastenden äußeren Schichten zu tragen, sodass er zu kontrahieren beginnt. Parallel dazu bewirkt das Brennen der Wasserstoffschalenquelle eine Expansion der äußeren Schichten, sodass die strahlende Oberfläche der Sonne — und damit ihre Leuchtkraft — stark zunimmt. Dies hat zur Folge, dass die Sonne im HRD im Lauf von 5 Milliarden Jahren langsam die Hauptreihe verlässt und anschließend während weiterer 1 bis 2 Milliarden Jahre steil nach rechts oben wandert.
 
Wegen der zunehmenden Verdichtung durch die zentrale Kontraktion und durch die dabei freigesetzte Gravitationsenergie werden sich die inneren Bereiche immer mehr erhitzen. Schließlich wird bei etwa 100 Millionen K die Zündtemperatur für die Fusion von Helium erreicht werden. Schlagartig wird es dann zum explosiven Heliumbrennen kommen, dem Helium-Flash. Dieses Ereignis setzt innerhalb einer Sekunde eine gewaltige Menge an Kernfusionsenergie frei, die einer Strahlungsleistung von 100 Milliarden Sonnenstärken entspricht. Verbunden damit ist ein auffälliger Masseverlust von bis zu 30 %. Schließlich wird die Sonne aber relativ rasch einen neuen stabilen Gleichgewichtszustand erreichen, der durch das Helium-Kernbrennen und das Wasserstoff-Schalenbrennen charakterisiert ist.
 
Da im Vergleich zum Wasserstoffbrennen das Heliumbrennen bei einer höheren Temperatur abläuft und überdies die Effektivität der Energiefreisetzung pro Masse und Zeit von einer sehr hohen Potenz der Temperatur (etwa T20 bis T30) abhängt, kann der stabile Brennzustand nur für eine entsprechend kurze Zeit von etwa 100 Millionen Jahren aufrechterhalten werden. Danach beginnt die Sonne ihren Weg auf dem steil nach oben führenden asymptotischen Riesen-Ast.
 
Gekennzeichnet ist diese Phase durch ein starkes Komprimieren des Kerns, eine extreme Expansion der äußeren Schichten und einen heftigen Anstieg der Leuchtkraft auf das Tausendfache des heutigen Werts. Dieser Anstieg, der sich in einer kurzen Zeitspanne von nur 10 Millionen Jahren vollzieht, wird von einem rasch zunehmenden Masseverlust begleitet. Nach Durchlaufen des asymptotischen Riesen-Asts wird die Sonne nur noch 53 % ihrer heutigen Masse besitzen.
 
Ihr prinzipieller Aufbau besteht dann aus einem entarteten kleinen Zentralkörper von etwa 0,52 Sonnenmasse, der schließlich zum Weißen Zwerg werden wird, und einer dünnen Helium- und Wasserstoffschalenquelle. Im Abstand von 100 Sonnenradien spannt sich eine sehr massearme Hülle von 0,01 Sonnenmasse. Sie ist in eine Windzone (mit Radien zwischen 100 und 10 000 Sonnenradien) eingebettet, die ihrerseits aus abgeblasener Gas- und Staubmaterie besteht.
 
Im oberen Bereich des asymptotischen Riesen-Asts wird diese Expansion durch die Wirkung der thermischen Pulse unterstützt. Diese entstehen, weil die Effektivität des Heliumschalenbrennens so stark zunimmt, dass durch die dabei induzierte Expansion und die daraus resultierende Abkühlung die oben liegende Wasserstoffschale kein neues Helium bilden kann. Da sich aber trotzdem die Heliumschale weiter nach außen frisst, außerhalb jedoch kein neues Helium mehr deponiert wird, nimmt die Masse zwischen beiden Schalenquellen rapide ab. Die Folge ist, dass die Temperatur der darüber liegenden Schichten zunimmt und in der Wasserstoffschalenquelle die Kernreaktionen erneut einsetzen. Dieser Prozess ist so effektiv, dass er bald die ganze Energieproduktion des Sterns übernimmt, während gleichzeitig die Heliumquelle wegen Brennstoffmangels ausgeht. Erst wenn sich erneut genügend Helium im Zwischenbereich gebildet hat, zündet die Heliumquelle wieder und das Spiel kann von vorn beginnen.
 
Dieser Prozess des schaukelnden Wasserstoff-Helium-Schalenbrennens kann sich während der Entwicklung am oberen Ende des asymptotischen Riesen-Asts viele Male wiederholen. Die Zeitdauer zwischen zwei aufeinander folgenden Pulsen beträgt mehrere 1000 bis 10 000 Jahre. Die thermischen Pulse selbst entwickeln sich innerhalb von Jahren und werden durch die Zeitspanne bestimmt, die die Strahlung braucht, um von der Heliumschalenquelle an die Sternoberfläche zu gelangen. Wegen der zeitweiligen Energiezufuhr expandieren die äußeren Schichten, was zu einem dramatischen Masseabfluss führt.
 
Modellrechnungen zufolge besteht die Sonne dann aus einem hochverdichteten, sehr heißen Zentralkörper, der sich im Wesentlichen aus Kohlenstoff und Sauerstoff zusammensetzt und eine Masse von 0,52 Sonnenmasse hat. Umgeben ist er von einer extrem ausgedehnten Hülle aus dem bis dahin abgestoßenen Material. Ein stabiles Schalenbrennen ist nun nicht mehr möglich. Die Sonne scheint in ein paar spektakulären Todesschleifen mit einer typischen Dauer von wenigen Tausend Jahren durch das HRD zu rasen. Bei nahezu konstanter Leuchtkraft springt dabei die effektive Temperatur zwischen einigen 1000 und 100 000 Kelvin hin und her.
 
Diese letzte Aktivitätsphase wird nur wenige 10 000 Jahre dauern. Danach erlöschen alle nuklearen Energiequellen, und die Sonne hat ihr Endstadium erreicht — das eines Weißen Zwergs. Dessen Strahlungsfeld regt anfangs noch den ihn umgebenden Planetarischen Nebel zu einem letzten Leuchten an. Doch dieser Nachglanz der ehemaligen Sonne ist nur von kurzer Dauer — nach vielleicht 20 000 oder 30 000 Jahren wird sich auch der Nebel aufgelöst und im All verteilt haben. Zurück bleibt dann nur noch der zentrale Weiße Zwerg, der mit der Zeit langsam abkühlt und ständig lichtschwächer wird, bis er schließlich im Dunkel versinkt.
 
Prof. Dr. Erwin Sedlmayr, Dipl.-Phys. Karin Sedlmayr und Dr. Achim Goeres
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Milchstraßensystem: Unsere Galaxis
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Sterne: Entstehung
 
Sterne: Verteilung und Zustandsgrößen
 
Sterne: Aufbau und Entwicklung
 
 
Cambridge-Enzyklopädie der Astronomie, herausgegeben von Simon Mitton. Aus dem Englischen. Sonderausgabe München 1989.
 
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 Henkel, Hans Rolf: Astronomie. Thun u. a. 41991.
 Herrmann, Joachim: dtv-Atlas zur Astronomie. Tafeln und Texte. Mit Sternatlas. München 111993.
 Herrmann, Joachim: Großes Lexikon der Astronomie. München 41986.
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 Langer, Norbert: Leben und Sterben der Sterne. München 1995.
 
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 Scheffler, Helmut / Elsässer, Hans: Physik der Sterne und der Sonne. Mannheim u. a. 21990.
 Smolin, Lee: Warum gibt es die Welt? Die Evolution des Kosmos. Aus dem Amerikanischen. München 1999.
 Unsöld, Albrecht / Baschek, Bodo: Der neue Kosmos. Berlin 51991.
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 Weigert, Alfred / Wendker, Heinrich J.: Astronomie und Astrophysik. Ein Grundkurs. Weinheim u. a. 31996.
 Zimmermann, Helmut / Weigert, Alfred: ABC-Lexikon Astronomie. Heidelberg u. a. 81995.

Universal-Lexikon. 2012.

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